Kleines Ding
Mein liebes kleines Ding, in deinem roten T-Shirt und den ausgebeulten Hosen, das da so sorglos auf dem großen Feld hinter Omas Laube herumrennt, ohne einen Gedanken an morgen zu verschwenden. Ich möchte, dass du es genießt. Dass du die Zeit so lange wie möglich nutzt, bevor du deiner warmen Geborgenheit entrissen wirst und dein kindlicher Leichtsinn einer nicht ganz so einfachen weiblichen Realität schwindet. Ich möchte, dass du auf so viele Bäume wie möglich kletterst, bevor die Jungs...
Auf dem Boden der Tatsachen
Eigentlich müsste alles in Ordnung sein. Ich bin da, mein Mensch ist da. Wir streiten uns, reden aneinander vorbei, vertragen uns, reden miteinander, sitzen an einem Sonntag im Frühling in der Sonne und existieren. Aber da ist ein Gefühl, das zum ständigen Begleiter geworden ist. Den ganzen Tag, jeden Tag, taucht es auf und legt sich wie ein grauer Schleier über meine Zeit. Wenn mein Mensch nicht da ist, wird es besonders düster und aussichtslos, aber auch wenn er bei mir ist. Mein Mensch...
Reisebericht Kreta
Berlin hatte uns viel abverlangt und es war dringend an der Zeit, wieder einmal echte Luft zu atmen und Ruhe zu hören. Es ist schwer in Worte zu fassen, wie glücklich mich die felsige Insel damals gemacht hat. Vieles von der Last, die die donnernden Hauptstadt tagtäglich mit sich brachte, schien zu schwinden, als wir mit dem orangenen Fiat ohne Klimaanlage die kleinen Landstraßen entlangdüsten. Die Wahl fiel auf eine abgelegene Unterkunft im Dorf Tersanas, nahe der malerischen Hafenstadt...
Skåne,Schweden
Schweden, das Land der Mitternachtssonne und der tiefblauen Fjorde, umhüllt mich seit Kindertagen mit Geborgenheit. Die Weiten der Küstenregion Skåne, unberührt von der Hast und dem Lärm des Großstadtlebens, sind mein Zufluchtsort. Als ob sich die Zeit hier verlangsamt hätte, findet man sich plötzlich in einer anderen Welt wieder - einfach mal Stille. Irgendwie freundlich. Das an windigen Tagen graue Meer ist von wilder Schönheit, Algenfelder tanzen im rhythmischen Einklang mit den...
Verlass mein nicht
Du willst frei sein Von der Verantwortung, von den Stimmen und frei sein zu sterben, wenn nötig Aber du kannst nicht gehen, du kannst mich nicht allein lassen Denn ich weiß nicht, wie es ohne dich weiter gehen kann Du sagst das so leichtfertig, Dass es dir nicht gutgeht und dass du nicht weißt, ob du in einem Jahr noch bist Aber du verstehst nicht Dass ich leide Nicht auf das erste Gefühl, dann bin ich leer und erschöpft Von dir und deinen Reden Aber später überrennt es mich, lähmt...
Idrisistible
Das mit dir hat morgens halb fünf nach einer langen Nacht begonnen. Nach ein paar Stunden Anpöbeln hast du mich das erste Mal virtuell ins Bett und danach an dich gedrückt. Als ich so einsam und ganz für mich fast in deinen Armen lag und sich über so viel Empathie kurzzeitig mein Herz öffnete wusste ich bereits, dass ich dich kennenlernen muss. Am nächsten Abend sitzen wir dann da, du in rot und ich ganz rot. Aber du bist nicht wirklich mein Typ und deine Arroganz nervt mich. Nach ein...
Reisebericht Sizilien
An diesem Tag ist Sizilien in einen sonnigen Nebel gehüllt, die Hitze drückt. Zum Glück gibt es Sandro, der uns vom Flughafen abholt und uns in seinem kleinen italienischen Wagen nach Mondello zur Unterkunft fährt. Die alte Villa mit dem bis ins 14. Jahrhundert zurückgehenden Stammbaum und den grünen Fensterläden hat einen ganz eigenen Charakter. Mondello selbst, so charmant die alte Piazza mit dem Gemüseladen und der Farmacia auch ist, stellt sich als ein etwas in die Jahre gekommener,...
Nasse Haut
Der erste Tag des Jahres, an dem es so warm ist, dass man das Gefühl hat, die Hitze würde den Körper wie ein Kokon umhüllen. Nicht fähig, eine einzige gedankliche Anstrengung vorzunehmen, in einer angenehmen, sommerlichen Müdigkeit gefangen. Fast schon träge. An den See, die karierte Decke auf das Gras legen, sich auf die karierte Decke legen, in der Hoffnung auf die kleinste sommerliche Briese. Aber die Blätter an den Bäumen bewegen sich nicht einen Millimeter. Und weil so erschöpft...
Mit dem Fantôme durch Paris
Eine meiner besseren Lebensentscheidungen war es, in meinem Studium eine kleine Veränderung vorzunehmen und trockene Statistikbücher gegen Romane und Gedichtbände einzutauschen. Und auch wenn es manchmal einige Monate dauert, bis das perfekte Buch wie der perfekte Mensch im Leben auftaucht und zeitweise Schreibblockaden und Deadlines in Streit geraten, liebe ich den literarischen Part meines (Uni-)Lebens. Spätestens in einem kleinen Café auf der Île Saint-Louis, wenn während eines...